PhD Thesis
Effects of sulfur complexation on intestinal transport and toxicity of metalloids in cell cultures
Sinikka Hinrichsen (01/2011-12/2015)
Support: Britta Planer-Friedrich
Arsen ist ein bekannter Giftstoff und für den Menschen als kanzerogen eingestuft. Selen ist ein essentieller Nährstoff, jedoch äußerst toxisch in hoher Konzentration. Die Zytotoxizität beider Halbmetalle ändert sich, wenn sie Komplexe mit Schwefel bilden. Über die Bioverfügbarkeit und Zytotoxizität von methylierten Thioarsenaten gab es bisher nur wenige und über die von anorganischen Thioarsenaten gar keine Daten, obwohl deren Bildung während der präsystemischen Arsen-Metabolisierung bereits bewiesen wurde. Selenosulfat galt generell als zytotoxischer für Krebszellen als Selenit. Daraus entstand der Vorschlag, dass Selenosulfat Selenit in der Krebstherapie ersetzen sollte.
In den beiden ersten Studien der vorliegenden Arbeit wurden die intestinale Absorption (d.h. die Bioverfügbarkeit), die zelluläre Retention und die Zytotoxizität von Thioarsenaten untersucht. Mit Hilfe eines Modell für den menschlichen Dünndarm (Caco-2-Zellmodell) wurden die zelluläre Retention und die intestinale Absorption von synthetisierten Standardlösungen von methylierten und anorganischen Thioarsenaten mit denen ihrer nicht thiolierten Strukturanaloge verglichen. Die Stabilität der einzelnen Verbindungen während der Transportexperimente wurde durch AEC-ICP-MS Analysen beurteilt. Sowohl der transzelluläre Aufnahmeweg (durch Phosphat-Transporter) als auch der parazelluläre Aufnahmeweg (durch die Tight Junctions) wurden für jede Arsen-Verbindung untersucht.
Der Einfluss von Schwefel auf Arsenit wurde im Hinblick auf die Bildung von anorganischen Thioarsenaten und die daraus resultierende geänderte Zytotoxizität untersucht (gemessen mit dem MTT Test). Die zytotoxischen Effekte von Arsenit, Arsenat und den anorganischen Thioarsenaten wurden für eine menschliche Leberkrebszelllinie (HepG2) und eine Blasenzelllinie (UROtsa) verglichen. Von jeder Arsen-Verbindung wurde die Konzentration berechnet, die zu einer Reduktion der Zellviabilität um 50 % führte (IC50 Wert). Die zelluläre Aufnahme jeder anorganischen Arsenverbindung wurde quantifiziert und mit ihrer jeweiligen Zytotoxizität in Verbindung gebracht.
Die höchste zelluläre Retention und intestinale Absorption wurde erwartungsgemäß für Arsenit gemessen. Die Bioverfügbarkeit von Thioarsenaten unterschied sich deutlich von der ihrer nicht-thiolierten Analoge. Unter allen methylierten Arsenverbindungen wurden die höchste zelluläre Retention und intestinale Absorption für Dimethylmonothioarsenat bestimmt. Dies ist besonders bemerkenswert, denn diese Verbindung besitzt eine deutlich höhere Zytotoxizität als ihr nicht-thioliertes Strukturanalog Dimethylarsenat. Die zelluläre Retention der anorganischen Thioarsenate Mono- und Trithioarsenat war vergleichbar gering mit der von Arsenat. Ihre intestinale Absorption war aber deutlich höher als die von Arsenat, für Trithioarsenat sogar vergleichbar mit der von Arsenit. Mono- und Trithioarsenat wurden intakt durch die Zellschicht transportiert, allerdings konnte eine teilweise intrazelluläre Reduktion zu Arsenit nicht ausgeschlossen werden. Die zelluläre Retention und die intestinale Absorption von Mono- und Dimethylarsenat und von Monomethylmonothioarsenat waren vernachlässigbar gering. In Abwesenheit von Phosphat nahm die zelluläre Retention aller Arsen-Verbindungen zu, was auf die Bedeutung von apikalen Phosphat-Transportern hinweist. Es konnten keine Daten über die Bedeutung des parazellulären Transportweges erhoben werden, weil während dieser Experimente die Zellschicht beschädigt wurde.
Sulfid-Zugabe in das Zellkulturmedium, das Arsenit enthielt, führte zur sofortigen Bildung von anorganischen Thioarsenaten und zu reduzierter Zytotoxizität. Die Toxizitäts-Reihenfolge der einzelnen anorganischen Arsenverbindungen nach 24 h Inkubation war Arsenit > Trithio arsenat > Monothioarsenat > Arsenat. Die gleiche Reihenfolge wurde auch für die zelluläre Aufnahme bestimmt. Unter der Annahme, dass anorganische Thioarsenate direkt aus Arsenit gebildet werden, kann Thiolierung als ein Prozess der Detoxifikation beschrieben werden, da dadurch die intestinale Absorption und die Zytotoxizität reduziert werden. Im Fall von Dimethylmonothioarsenat, das aus Dimethylarsenat gebildet wird, kann Thiolierung allerdings als ein Aktivierungsprozess beschrieben werden, da dadurch die intestinale Absorption und die Zytotoxizität gesteigert wird.
In der dritten Studie wurden die zytotoxischen Effekte und die zelluläre Aufnahme von Selenosulfat und Selenit für drei verschiedene Krebszelllinien (HepG2, A375 und T24) verglichen, um die Behauptung zu überprüfen, dass Selenosulfat generell zytotoxischer auf Krebszellen wirkt als Selenit. Experimente mit und ohne Aminosäuren untersuchten deren Einfluss auf die Zytotoxizität der Selenverbindungen.
Die Zytotoxizität von Selenosulfat war für alle drei Zelllinien vergleichbar (IC50 6.6-7.1 µM) und größtenteils unbeeinflusst durch die Faktoren Inkubationszeit und Aminosäuren. Allerdings war die Zytotoxizität von Selenit für die drei Zelllinien sehr unterschiedlich, was dazu führte, dass Selenosulfat toxischer als Selenit für HepG2 war (IC50 > 15 µM), aber vergleichbar toxisch mit bzw. weniger toxisch als Selenit für A375 (IC50 4.7 µM) und T24 Zellen (IC50 3.5 µM). Im Gegensatz zu den T24 Zellen wurden die HepG2 Zellen routinemäßig mit Aminosäuren kultiviert. Durch die Zugabe von Aminosäuren zum T24 Zellkulturmedium wurden Selenitaufnahme und -toxizität dermaßen reduziert, dass Selenosulfat für T24 Zellen toxischer war als Selenit. Der starke Einfluss von Aminosäuren auf die Selenit-Toxizität für T24 Zellen könnte durch eine Hemmung des xc-- Transportsystems erklärt werden, welches die zelluläre Selenaufnahme durch Exkretion von Cystein und Reduktion der Selenverbindung steuert. Selenosulfat ist durch die Aminosäuren wenig beeinflusst, da es bereits reduziert ist. Ob Selenosulfat oder Selenit zytotoxischer ist, hängt nicht nur von der Selenverbindung selbst ab, sondern auch von der Empfindlichkeit der verwendeten Zelllinie, den einzelnen Bestandteilen des Zellkulturmediums und den reduktiven Bedingungen in der extrazellulären Umgebung. Die generelle Behauptung, dass Selenosulfat toxischer als Selenit ist, muss deswegen überdacht werden.